Schwulenchronic des 20-ten Jahrhunderts

oder auch "Schwul in der Gesellschaft"

Liebe Userin, lieber User

das Leben als Schwuler so wie wir es heute kennen, ist das vorläufige Ende eines Weges der in der Vergangenheit viele Opfer gefordert hat um uns das Leben heute relativ leicht zu machen. Ich habe euch hier die wichtigsten Eckpunkte einmal aufgeführt und mit Hintergrundmaterial verlinkt, bei Klick öffnen sie in einem neuen Fenster, sodaß ihr danach bequem an der Stelle weiter lesen könnt, an der ihr aufhörtet.

Bereits im Jahre 1871 wurde im Gestzbuch des damaligen deutschen Kaiserreichs ein Paragraph eingeführt, der die Liebe zwischen Männern unter Strafe stellt. Dieser Paragraph fand seinen Ursprung in der Bibel. Erst 26 Jahre später (!!!) gründete sich ein Komitee welches die Abschaffung dieses Paragraphen als oberstes Ziel hatte unter Magnus Hirschfeld. Einige Jahre später gibt es das erste Promineten-Outing: Kaiser-Freund Friedrich Alfred Krupp wird von einer Gruppe SPDler die sich "Vorwärts" nennen geoutet. Krupp stirbt eine Woche nach diesem Outing auf ungekläter Ursache. Zudem bezieht die SPD (die heute als Schwulenfreundlichste Partei Deutschlands nach Bündnis90/dieGrünen gilt) im Oktober 1907 Stellung zur Homosexualität: "Wir sind Gegner der homosexuellen Liebe, weil sie in der Tat in Fällen ein unwiderstehlicher natürlicher Trieb ist..."

Zur Zeit der Weimarer Republik (1918 bis 1933) beginnt ein Auf und Ab der Sicht und der Gesertzteslage zur Homosexualität. Am 20. November 1919 wird Homosexualität erstmals zum Thema in einem Film: "Anders als die anderen" hatte Premiere. Ein knappes halbes Jahr später, als die sogenannten Lichspielgesetzte eingeführt wurden, wurde im Juni 1920 "Anders als die anderen" verboten. Als im Januar 1925 eine Konservative Regierung die Macht übernimmt, wird der § 175 der Weimarer Republik verschärft . Einige Monate später (im April 1925) wird die Meinung der Öffentlichkeit gegenüber Schwulen durch die öffentliche Hinrichtung eines Schwulen Massenmörders so stark beeinflusst, das die Öffentlichkeit nun glaubt, alle Schwulen seien Kriminelle. Im Juni 1927 wird durch eine neue Regierung der § 175 wieder entschärft.

Als wenige Jahre nach jener Entschärfung des § 175 die NSDAP die Führung Deutschlands übernimmt und das Dritte Reich bekundet, beginnt das schwärzeste Kapitel der Schwulen Geschichte. Als ersten Anfang des Kampfes der NSDAP gegen die Homosexuellen lässt sie, wie auch bei den Juden, zu nächst nur die Trefflokale verbieten, welche jedoch übergangsweise zu den Olympischen Sommerspielen des Jahres 1936 in Berlin öffnen durften. Auch in dieser Epoche der Geschichte gabe es eine erneuteEntwicklung des § 175 unter der Regierung der Nazionalsozialisten. Hitlers Weg beginnt, und somit der Weg der Venichtung von Millionen von Menschenleben

In der frühen Nachkriegstzeit gehen die beiden deutschen Länder verscheidene Wege. Während in der damaligen DDR der § 175 in seiner Fassung von 1925 erhalten blieb, wurde in der BRD der § 175 die von den Nazis 1935 geänderten Form für rechtens erklärt. Die WHO (World Health Organisation) trägt 1948 Homosexualität in den International Code of Deseases ein, somit ist Homosexualität als Krankheit deklariert. Die DDR reformiert weiter ihre Gesetzte zur Homosexualität: Sex unter Partnern des gleichen Geschlechts ist bis zur vollendung des 18. Lebensjahres strafbar, unter Erwachsenen bleibt Homosexualität straffrei.

Im Jahre 1969 beginnt die sogenannte "Schwule-Revolution" (1969-1989): Als sich im Juni 1969 erstmals Schwule und Lesben in New York (USA) gegen die Willkürlichkeit der Polizei zur wehr setzten, scheint eine neue Zeit gekommen zu sein. 2 Tage lang gab es Demontrationen und Konflikte sowie Schlägerein zwischen Homosexuellen und der Polizei. Seit diesem Tag gilt das "Stonewall Inn" in der New Yorker Christopher-Street als Wiege der Schwulenbewegung. An diesen Aufstand erinnern die heutigen CSDs (Christopher-Street-Days).
Auch in dieser Zeit wird der §175 erneut geändert. In der DDR ist er allerdings zum §151 (der ab 1968 galt) geworden, während dessen der §175 in der BRD am 25. Juni 1969 nur Inhaltlich geändert wurde. Bereits 4 Jahre später wurde der §175 am 23. November 1973 in der BRD erneut geändert.

Am 15. August 1971 bringen Rosa von Praunheim und Martin Dannecker den Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" heraus, er wird am 15. Januar 1973 von der ARD bundesweit (mit ausnahme von Bayern) ausgestrahlt. Diese Austrahlung entfacht eine neue Diskussion zum Thema Homosexualität. Bereits während der Ausstrahlung rufen empörte Zuschauer bei der ARD an, von denen sich 95% über diesen Skandal beschweren, dies Kommentiert die WDR-Pressestelle wie folgt: "Die Homos sollen in der Ecke bleiben und gefälligst nicht herauskommen."

Am 3. Juli 1981 taucht das Thema AIDS erstmals in der Presse auf. Die New York Times berichtet vom "Carposi sarcom", die bei Schwulen festgestellt wurde. 1982 wird der erste AIDS-Kranke in der BRD diagnostiziert, 1984 sind es 20. Allein zwischen 1985 und 1990 sterben ca. 10.000 Menschen an AIDS. AIDS bekommt in dieser Zeit auch den Beinamen "Schwulenseuche". Bis zum Ende der 80er Jahre bekommt das Thema "Homosexualität" immer mehr Bedeutung, auch in der Politik, obwohl Zeitgleich es weitere diskriminierdende Taten von politischer Seite gab.Wie zum Beispiel am 20. Juli 1984 in der DDR: In einer Mitteilung des Ministeriums für Staatssicherheit wird mitgeteilt, dass "in den letzten 14 Tagen eine Aufstellung aller bekannten Homosexuellen durch die Zentralstelle für Geschlechtskrankheiten erarbeitet und dem Institut für Blutspende [...] übergeben" wurde.

Ähnlich turbulent wie in den Jahren davor, ging es in den 1990er Jahren weiter. Während sich in der DDR im Februar 1990 der SVD (Schwulenverband der DDR) gründet, sorgt knapp einen Monat später ein Kuss zwischen zwei Männern in der "Lindenstraße" für heftige Proteste in der BRD. Im Dezember 1991 outet Rosa von Praunheim den Moderator Alfred Biolek sowie den Entertainer Hape Kerkeling in dem RTL-Magazin "Explosiv" als schwul. Es wird ein Skandal und war noch wochenlang nach der Ausstrahlung der Sendung Thema in den Medien.
Im Zuge der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten musste auch der §175 im Jahre 1990 angeglichen werden.

Ein großer Schritt zu Gleichstellung von Homosexuellen mit Heteros wurde am Neujahrstag des Jahres 1993 getan: Die WHO (World Health Organisation) strich die Homosexualität aus dem International Code of Deseases. Sie war dort seit der ersten Veröffentlichung 1948 unter der Nummer 302.0 als psychische Krankheit geführt worden. Ein weiterer großer Schritt wurde am 29. April 1995 zum 50. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau getan: mit einem Denkmal wird auch an die homosexuellen Opfer der Nazi-Zeit gedacht. Der dreieckige Stein in Rosa symbolisiert den rosa Winkel. Er trägt die Aufschrift "Totgeschlagen - totgeschwiegen". Knapp ein jahr zuvor wurde der §175 erneut geändert, 1998 wurde er endlich ganz und gar abgeschafft.

Immer mehr wurde das Leben für Schwule und Lesben einfacher. Nicht zuletzt auch wegen der öffentlichen Macht von Stars. Denn am 11. April 1998 outet sich der Sänger George Michael als schwul. Der Pop-Star war am 8. April 1998 wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet worden. Er hatte versucht, eine Zivilstreife zum Sex zu animieren. Der Skandal jedoch blieb aus. George Michael geht in die Offensive, spricht frei über seine Homosexualität. Seine Fans und die amerikanische Presse danken es ihm mit Anerkennung. Aber auch andere Stars und Sternchen tragen in den 1990er Jahren ihren Teil zu mehr öffentlichkeit von Homosexualität bei: Hella von Sinnen, Dirk Bach oder Peter Plate machten schon damals kein Geheimnis aus ihrer sexuellen Orientierung. Im laufe der 1990er Jahre entwickelte sich auch bei den Schwulen und Lesben eine andere Wahrnehmung und Auffassung der eigenen Sexualität. Sogenannte CSDs finden heute an den Wochenenden zwischen Juni und August in fast jeder größeren Stadt statt. Diese Demonstrations Paraden sollen meist Aufmerksam auf die politischen Ziele bzw. Forderungen der Schwulen machen und sie sollen zeigen, das man sich heute nicht mehr schämt Schwul oder Lesbisch zu sein, sondern das man Glücklich mit seiner sexuellen Identität ist. Zusätzlich zu den regionalen CSDs gibt es den "Europride" und den "Worldpride".

 

Im Text verlinkte Hintergrundinfos
noch einmal zusammengefast:


Schwule während der Zeit des Nazionalsozialismus
Ausführliche GayHistory
Christopher Street Day (CSD)
§ 175 - Vorgeschichte, Hintergründe und Versionen
Sonstige Hintergründe, Fakten und Erklärungen