Ausführliche GayHistory

Inhaltsverzeichnis:









Schwule im Kaiserreich von 1897 bis 1918

Das 20. Jahrhunder begann mit einem Untergang: Die letzten 18 Jahre des Kaiserreiches waren angebrochen. Um nun die Entwicklung der schwulen Kultur (in Deutschland) genauer beschreiben zu können, geht diese Chronik noch ein paar Jahre zurück in das 19. Jahrhundert: Es ist die Entstehungszeit des Paragraphen 175.

Fast dreißig Jahre später regt sich heftigster Widerstand gegen das Gesetz. Die Petitionen, die durch namhafte Wissenschaftler, Politiker und andere Persönlichkeiten zur Streichung des Paragraphen unterzeichnet wurde, fand entweder keinerlei Beachtung oder wurde belächelt.

Homosexualität wurde in dieser zeit jedoch als politische Waffe verwendet: Das prominenteste Opfer war Friedrich Alfred Krupp.

GayHistory des Kaiserreichs
Datum Ereignis
15.5.1871 Im Reichsstrafgesetzbuch wird der § 175 eingerichtet, der "Unzucht" zwischen Männern bestraft.
15.5.1897 Gründung des Wissenschaftlich-humanitären Kommitees (WhK) durch Magnus Hirschfeld, Max Spohr, Franz Josef von Bülow, Eduard Oberg; das Ziel: Abschaffung des §175 Reichs-Straf-Gesetzbuches (RStGB)
13.1.1898 Erster Versuch einer Liberalisierung des §175 durch August Bebel (SPD-Vorsitzender) scheitert.
15.11.1902 Prominenten-Outing: Rüstungsindustrieller und Kaiserfreund Friedrich Alfred Krupp durch "Vorwärts" (Zentralorgan der SPD); Krupp stirbt eine Woche später am 22.11.1902, die Ursache ist unklar
7.5.1904 Magnus Hirschfeld wird wegen Beleidigung verurteilt. Er befragte Studenten und Arbeiter nach deren sexuellen Gewohnheiten; Ergebnis der Umfrage: 2,3% der Männer sind schwul
31.5.1905 Der Reichstag schmettert den Antrag der Petitions-Kommission auf Streichung des §175 ab.
24.10.1907 Die SPD bezieht Stellung gegen Homosexuelle: "Wir sind Gegner der homosexuellen Liebe, weil sie in der Tat in Fällen ein unwiderstehlicher natürlicher Trieb ist..."
8.5.1908 Skandal: Fürst Philipp zu Eulenberg und Hertefeld wird wegen des Verdachts der homosexuellen Betätigung verhaftet; die Anklage erfolgt am 29.6.1908, wird aber drei Wochen später ausgesetzt und nie wieder aufgenommen.
23.1.1908 Die Petitions-Kommission spricht sich nun für eine Verschärfung des §175 aus.
20.11.1916 Der Verleger Adolf Brand wird wegen der Veröffentlichung männlicher Akte angezeigt, jedoch nicht verurteilt.








Schwule in der Weimarer Republik von 1918 bis 1933

Die Zeit der Weimarer Republik war für die schwule Subkultur ein einziges auf und ab. Abhängig von den Machtverhältnissen im Parlament der jungen Republik konnten sich die Gesetze zugunsten oder gegen die Schwulen richten. Vor allem konservative und rechtsradikale Parteien befürworteten eine Verschärfung des §175. Bei den liberalen und linksgerichteten Parteien entstanden einige Vorschläge zur Refomierung des StGB, eine konsequente Durchführung ließ jedoch oft auf sich warten. Oft verliefen die Bemühungen im Sande.

In der Bevölkerung richtete sich die öffentliche Meinung im Laufe der 20er Jahre zunehmend gegen Homosexuelle. Zum Beginn der 30er Jahre zeichnete sich eine Phase der Entspannung im Strafrecht zu entwickeln. Diese wurde jedoch abrupt durch die Machtübernahme der Nazis beendet.

GayHistory der Weimarer Republik
Datum Ereignis
6.7.1919 Gründung und Anerkennung des "Instituts für Sexualwissenschaft"; diese wird später zur gemeinnützigen "Dr.-Magnus-Hirschfeld-Stiftung" umbenannt.
20.11.1919 Mit dem Film "Anders als die Andern" setzt sich ein Film erstmals mit dem Thema Homosexualität auseinander. Der Film wird mit der Einführung des Lichtspielgesetzes am 6.6.1920 verboten.
4.10.1920 Magnus Hirschfeld wird in München nach einem Vortrag angegriffen; seine Anzeige wird abgewiesen, stattdessen wird Hirschfeld selbst wegen groben Unfugs und seines "unzüchtigen Vortrags" angeklagt.
26.10.1921 Gustav Radbruch (SPD), Unterzeichner der Petition zur Steichung des §175 wird Reichsjustizminister; sein Vorstoß, die "einfache Homosexualität" straffrei zu halten, wird von der Regierung nicht bearbeitet
15.1.1925 Wahl einer konservativen Regierung (Reichskanzler: Dr. Hans Luther); diese beschließt eine Verschärfung des §175
15.4.1925 Hinrichtung eines schwulen Massenmörders; die öffentliche Meinung hält darauf alle Schwule für kriminelle Subjekte
22.6.1927 Der Paragraph 175 wird wieder etwas entschärft (4. Kabinett Marx)
20.9.1927 Ein homosexuelles Paar wird aufgefordert, ihr Zusammenleben zu beenden und Treffen zu unterlassen; Verstöße werden unter Strafe gestellt
16.10.1929 Der Strafrechts-Ausschuß empfiehlt mit knapper Mehrheit eine Straffreiheit der "einfachen Homosexualität", Einführung eines neuen Paragraphen: §297 StGB








Schwule im Dritten Reich von 1933 bis 1945

Hitlers Reich ist eines der dunkelsten Kapitel in der deutschen Geschichte. Sie ist geprägt von der systematischen Aushebelung demokratischer und persönlicher Rechte, von der Verfolgung und von der Vernichtung unliebsamer Gruppen (allen voran die Juden) und Gegnern.

Auch Schwule waren Opfer dieser Verfolgungen. Auch diese Verfolgungen wurden systematisch durchgeführt. Der Verschärfung des §175 folgten Gesetze zur "Verhütung erbkranken Nachwuchses" u. ä. Gesetze, die im Laufe der Jahre bei auffällig gewordenen Homosexuellen eine Kastration ermöglichten. 1940 ist die Kastration dann die einzige Möglichkeit, als Homosexueller noch frei zu kommen. Allen anderen drohte "Schutzhaft".

Pikanterweise waren im engsten Kreis Hitlers ebenfalls Schwule zu finden: Ernst Röhm, der Chef der SA, zählt zu den bekanntesten Beispielen. Aber auch hier kannte Hitler keine Grenzen: Er nutzte Röhm, um die SA zu beseitigen, sich und die NSDAP vom "Vorwurf" der Homosexualität freizumachen und gegen andere politische Gegner vorzugehen.

GayHistory des dritten Reichs
Datum Ereignis
23.2.1933 Erlass des Preußischen Ministeriums des Innern: " Gaststätten, die der widernatürlichen Unzucht huldigen, müssen sofort geschlossen werden"
3.5.1933 Adolf Brands Verlag wird mehrmals durchsucht, Material wird beschlagnahmt. Am 29.11.1933 gibt Brand den Ruin seines Verlags bekannt.
6.5.1933 Das Sexualwissenschaftliche Institut wird durch NS-Studenten und SA-Leuten zerstört; Bücher werden verbrannt
8.6.1933 Das WhK wird aufgelöst
1.8.1933 Die KPD bezichtigt Marinus van der Lubbe als Werkzeug und Lustknaben von Röhm
8.6.1933 Maxim Gorki schlägt in der Prawda vor, den Faschismus auszurotten, indem man die Homosexualität ausrottet.
30.6.1934 Röhm wird verhaftet und wegen eines angeblichen Putsch-Versuchs und Homosexualität hingerichtet; Röhms Homosexualität war Hitler seit 1931 bekannt
24.10.1934 Die Gestapo (Berlin II, 1. Sonderdezernat) fertigt Listen über bekannte Schwule an; der Schwerpunkt wird auf politisch wichtige Persönlichkeiten gelegt, auch innerhalb der NSdAP und anderen Organisationen der Nazis werden Schwule registriert.
6.7.1936 Die Nazi verhaften homosexuelle Ordensbrüder; Grund dafür ist die ablehnende Haltung der Kirche gegenüber den Nazis. Die Kirche stellt sich nicht hinter ihre Angehöhrigen. 1934 empfiehlt Kardinal Schulte die Entlassung "verdächtiger" Ordensbrüder.
20.7.1936 Heinrich Himmler erlaubt für die Zeit der Olympischen Sommerspiele in Berlin die Öffnung von schwulen Lokalen; er spricht außerdem ein Verbot von Vernehmungen und Vorladungen von Verdächtigen aus.
10.10.1936 Gründung der "Reichszentrale zur Bekäpfung der Homosexualität und der Abtreibung"
18.2.1937 Himmler äu&slig;ert in der Öffentlichkeit: "Die Homosexualität als Seuche richtet das deutsche Volk nieder"; er geht von einem Anteil von 7-10% aus
12.7.1940 Ein weiterer Erlass Himmlers schreibt vor, alle Homosexuelle, die mehr als einen Partner "verführt" haben, nach der Entlassung in Vorbeugehaft zu nehmen. Einzige Ausnahme seien "entmannte Homosexuelle".
18.8.1941 Hitler befiehlt die Todesstrafe für alle Homosexuellen, die Angehörige der HJ, SS und der Polizei sind.








Die Zeit von 1945 bis 1968

Diese Zeit war geprägt durch Angst. Trotz des Untergangs des Faschismus schaffte es ein Gesetz, diesen Zeitraum zu überleben: Der Paragraph 175. Er wurde in dieser Zeit in seiner harten Fassung aus dem Jahre 1935 angewandt.
In dieser Zeit offen schwul zu sein, hieß gebrandmarkt zu sein. Das Bundesverfassungsgericht sorgte in einem Urteil, dass die Gesetzgebung aus der Nazizeit für verfassungskonform und begründet erachtet wurde.

Auch in der Bevölkerung war die Abscheu Schwulen gegenüber offensichtlich. Das Wort "schwul" kam nur in absoluter Wut als Verunglimpfung über die Lippen. "Tunten" wurden verfolgt, geschlagen und misshandelt. Wer nicht wollte, dass er als Schwuler abgestempelt wurde, hielt den Mund.

GayHistory der Nachkriegszeit
Datum Ereignis
1.11.1945 Die Landesverwaltung Thüringen erklärt den § 175 in der Fassung von 1935 für ungültig und übernimmt die Fassung von 1925.
30.1.1946 Der §175 bleibt weiterhin in der Fassung von 1935 gültig.
1948 Die WHO (World Health Organisation) nimmt Homosexualität unter der Nummer 302.0 als psychische Krankheit in den ICD (International Code of Deseases) auf.
21.2.1950 In der DDR wird der §175 in der Fassung von 1925 übernommen, der §175a bleibt in seiner Fassung erhalten.
13.3.1951 In der BRD bleibt der §175 in der Fassung von 1935 gültig.
13.7.1951 BRD: Als unzüchtige Handlung gemäß §175f. gilt die "wechselseitige Befriedigung, auch ein zweckgerichtetes Reiben an den Geschlechtsteilen, selbst wenn es nicht zum Samenerguss kommt".
8.1.1952 Bundesjustizminister Thomas Dehler (FDP) schlägt eine weitere Verschärfung des §175a vor. Dies würde weitreichende Eingriffe in das Privatleben bedeuten.
3.12.1952 Einführung des Schlüter-Schlitzes auf der Toilette des Düsseldorfer Hauptbahnhofs. Dieser dient der Überwachung und Überführung von Homosexuellen bei strafbaren Handlungen.
14.7.1953 Freispruch eines Mannes, der wegen des §175 angeklagt worden war. Das Urteil wird mit dem Widerspruch des §175 StGB mit dem §3 GG begründet. Das Urteil wird später aufgehoben.
6.9.1953 Zur Bundestagswahl werden die Parteien durch die Zeitschrift "Der Weg zu Freundschaft und Toleranz" wie folgt eingeschätzt:
  • CDU: Hauptverantwortliche der Beibehaltung des §175, daher "Todfeind"
  • FDP: "restlos versagt" und eng mit der CDU liiert. Eine Wahl komme daher nicht in Frage
  • SPD: diejenige Partei, die am ehesten vertrauenswürdig wäre
Dieselbe Zeitschrift nennt auch die Schätzung von "Homoeroten" im Bundestag auf insgesamt 14, davon in der CDU/CSU: 7; SPD: 3; Bayernpartei: 2; FDP: 1; KPD: 1
24.8.1954 Großbritannien: der Britische Innenminister beruft einen Ausschuss ein, der gesetzesvorschläge zur Homosexualität erarbeiten soll; der Vorsitzende ist Sir John Wolfenden
5.7.1956 4. Strafsenat des Bundesgerichtshof: Bei der "anlagebedingten Homosexualität" ist der "abartige Trieb" so stark, dass er Krankheitswert erhält. Es liegt somit eine "krankhafte Störung der Geistestätigkeit" im Sinne des §51 StGB vorliegt. In diesem Falle könne ein Freispruch erwirkt werden.
20.2.1957 DDR: einfache Homosexualität ist weiterhin strafbar
10.5.1957 Das Bundesverfassungsgericht lehnt zwei Verfassungsbeschwerden von nach §175 Verurteilten ab.
12.8.1957 Der Wolfenden-Report wird veröffentlicht:
  • Homosexualität soll straffrei bleiben, wenn sie von beiden Partnern im Zivilleben, im beiderseitigen Einverständnis und hinter verschlossenen Türen stattfindet; beide Partner müssen über 21 Jahre alt sein
  • Es gibt keine Beweise dafür, dass Homosexualität eine Krankheit ist
  • Homosexualität ist kein Auslöser von Dekadenz
  • Es gibt Homosexualität in allen Berufen und auf allen Ebenen der Gesellschaft
Der Report wird im gleichen Jahr ins Deutsche übersetzt
4.10.1962 Reform des StGB in der BRD, ausgenommen davon ist der §175; Begründung: "Die Reinheit und Gesundheit des Geschlechtslebens ist eine außerordentlich wichtige Voraussetzung für den Bestand des Volkes ..."
30.8.1967 Homosexuelle werden von der Bundeswehr nicht für wehrtauglich befunden.
12.1.1968 DDR: Reform des §151 StGB; Sex mit Jugendlichen des gleichen Geschlechts bis 18 Jahren ist strafbar. Der Sex zwischen erwachsenen Männern ist straffrei.








Die Zeit von 1969 bis 1989

Der Wandel in der schwulen Subkultur kam erst im Jahre 1969, als die Große Koalition mit Kurt Georg Kiesinger (CDU) als Bundeskanzler und Willy Brandt (SPD) als Außenminister die erste Reform des Strafgesetzes durchführte.

Mit dem Beginn der sexuellen Revolution zum Ende der 60er begann auch die Freiheit für die Schwulen. Es wurden Gruppen und Vereinigungen gegr¨ndet, die sich für mehr Rechte für Homosexuelle einsetzten. Ein weiteres Zeichen der Emanzipation von Schwulen und Lesben ist der Aufstand im Stonewall Inn in der New Yorker Christopher Street. Dieser Aufstand gegen staatliche Willkür wird seitdem als Christopher Street Day jährlich gefeiert. In Deutschland dauert es allerdings 10 Jahre, bis dieser wichtige Tag zum ersten Mal gefeiert wird.

Die 80er bringen zwei neue Gefahren: Neonazis und AIDS. Die neue Krankheit zeigt sich erstmals in der schwulen Subkultur der Vereinigten Staaten, verbreitet sich dann inerhalb kürzester Zeit über den ganzen Erdball. Der einzige Schutz: Safer Sex.
In den 80ern zeigen sich nun neue Gesichter der antischwulen Gewalt: Neonazis. Rechtsradikale Übergriffe häufen sich, und nicht selten kommt es dabei zu Toten.
Dass alte Gewohnheiten auch weiterhin das Tagesgeschäft prägen, zeigt sich bei weiteren Institutionen: Die Bundeswehr hält weiterhin an Meinungen fest, die in den 60ern vertreten wurden, in der Regierung werden Anträge abgelehnt, weil sie das Wort schwul für unerträglich halten und die Polizei lässt sich trotz aller Loslösung von alten Vorstellungen immer wieder neue Methoden einfallen, um Schwule zu bespitzeln.

GayHistory der "wilderen" Jahre
Datum Ereignis
25.6.1969 BRD: Reform des StGB; das letzte aus NS-Zeiten gültige Recht, der §175, ist nach 24 Jahren abgeschafft. Es wird eine Schutzaltersgrenze eingeführt: Homosexualität bis 21 ist bedingt strafbar, ab 21 Jahren straffrei.
27./28.6.1969 USA: Eine Polizeirazzia im New Yorker Stonewall Inn löst Krawalle zwischen den Homosexuellen und der Polizei aus; es ist das erste Mal, dass sich Schwule und Lesben gegen staatliche Willkür richten.
29.9.1969 Die erste Gazette für Schwule, "Du & Ich" erscheint.
15.8.1971 Rosa von Praunheim und Martin Dannecker bringen den Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" heraus.
9.10.1972 Die DAH (Deutsche Aktionsgemeinschaft Homosexualität) wird gegründet
15.1.1973 Die ARD sendet bundesweit (Ausnahme: Bayern) den Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" aus. Der Film löst eine heftige Diskussion aus, die Ablehnung in der Bevölkerung scheint deutlich: Noch während der Sendung rufen protestierende Zuschauer an, 95% beschweren sich. Den Tenor kommentiert die WDR-Pressestelle wie folgt: "Die Homos sollen in der Ecke bleiben und gefälligst nicht herauskommen."
In Ost-Berlin gründet sich die HIB (Homosexuelle Interessensgemeinschaft Berlin). Das Kürzel HIB wird auf Wunsch der Mitglieder an einer Halskette getragen.
23.11.1973 Die zweite Reform des §175 StGB betrifft: Das Schutzalter wird von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt. Die homosexuelle Prostitution ist nicht mehr strafbar.
21.5.1973 Erstmals wird das Wort "schwul" zur Selbstidentifikation in Veröffentlichungen verwendet.
1.7.1975 Im Versandhandel "Loge 70" wird S/M-Pornographie beschlagnahmt. Kunden werden ebenfalls aufgesucht, gefundenes Material beschlagnahmt.
30.5.1977 Gründung der "Nationalen Arbeitsgruppe Repression gegen Schwule" (NARGS); Aufgabe: systematische Katalogisierung von Materialien, die der Diskriminierung von Schwulen dienen.
13.3.1978 Mit Wolfgang Krömer wird erstmals ein offen Schwuler als Bürgerschaftskandidat für Hamburg aufgestellt.
5.10.1978 Titelblatt des Stern: "Wir sind schwul". 600 Männer outen sich freiwillig; im Falle eines 17-Jährigen ermittelt die Staatsanwaltschaft, sie droht dem jungen Mann mit Beugehaft, wenn er nicht den Namen seines 40-jährigen Freundes preisgibt.
10.12.1978 DDR: Die Anerkennung der HIB wird mit Begründung abgelehnt, "es bestünde kein gesellschaftliches Interesse, eine eigene Organisation zu gründen".
30.6.1979 Anlässlich der 10. Jahrestages des Aufstandes im Stonewall Inn wird nun auch in der BRD der CSD (Christopher-Street-Day) gefeiert: 800 Menschen in Bremen, je 400 Menschen in Stuttgart und Berlin.
30.9.1979 Der Plan der griechischen Regierung, Homosexualität gesetzlich zu verbieten, löst internationale Proteste aus; Organisatorin der Proteste ist die IGA, die sich später zur ILGA (International Lesbian and Gay Organisation) umbenennt.
25.10.1979 Das Bundesverwaltungsgericht urteilt: "Eine homosexuelle Neigung schließt die Eignung eines Soldaten zum Vorgesetzten aus."
3.6.1980 Corny Littmann, Spitzenkandidat der Hamburger Grünen, zerschlägt am Spielbudenplatz in Hamburg auf einer öffentlichen Toilette einen Spiegel. Dahinter befindet sich ein 4m2 großer Raum, der der Polizei zur Bespitzelung dient.
1.12.1980 Das Magazin prangert die FDP-Politikerin Hildgard Hamm-Brücher an. Diese hatte eine Reform des §175 StGB mit Begründung abgelehnt, sie "wolle die jungen Männer vor den alten Greisen bewahren."
28.5.1981 Der Neonazi Johannes Bügner wird von vier Gesinnungsgenossen hingerichtet. Als Grund geben die Täter an, Bügner ware "ein Verräter und Schwuler." Die Täter werden mit Hafstrafen von mehreren Monaten und z.T. zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
3.7.1981 Die Krankheit AIDS wird erstmals in der Presse erwähnt. Die New York Times berichtet vom "Carposi sarcom", die bei Schwulen festgestellt wurde. 1982 wird der erste AIDS-Kranke in der BRD diagnostiziert, 1984 sind es 20. Allein zwischen 1985 und 1990 sterben ca. 10.000 Menschen an AIDS.
Die bayerische Staatsregierung erwägt 1987 die Einführung eines AIDS-Gesetzes. Dieses soll die Untersuchungspflicht für bestimmte Risikogruppen (Drogenabhägige, Prostituierte und Homosexuelle) einführen. Bei Menschen, die in einem schwulen Lokal angetroffen werden, gilt ein "Ansteckungsverdacht". Für Betriebe mit schwulen Kunden sollen Auflagen gemacht werden, eine Schließung wird erwogen.
5.10.1981 Mit Hilfe der Presse gelingt es der Ulmer Schwulengruppe "Schwulm", die Erlaubnis für einen schwulen Infostand zu erreichen. Dieser war mit der Begründung abgelehnt worden, "Werbung für Homosexualität verstoße trotz der Wandlung der öffentlichen Meinung gegen die öffentliche Ordnung.
10.4.1982 Der Bischof von Straßburg, Léon Arthur Eichinger, verweigert die Aufnahme von 150 Teilnehmern (Eichinger: "moralisch Kranke") eines ILGA-Treffens in das Heim der christlichen Arbeiterjugend. Diese müssen bei Regen und Temperaturen um den Gefrierpunktauf einem Campingplatz übernachten.
12.6.1982 Bei einer Lesben- und Schwulendemo in Hamburg werden ein 10- und 16-Jähriger festgenommen. Der Jüngere wird 2 Stunden festgehalten, der Ältere wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch von Kindern festgenommen. Das Verfahren wird später aus Mangel an Beweisen eingestellt.
30.9.1982 Michael Lindner, Kompaniechef wird in den Ruhestand versetzt. Als Begründung gibt die Bundeswehr das Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 25.10.1979 an.
Im gleichen Jahr stellt der Bundesverwaltungsgerichtshof fest: "Homosexuelle Soldaten sind nicht grundsätzlich wehruntauglich." Eine Ausmusterung sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Homosexualität zu einer "echten Perversion degeneriert" sei.
23.12.1982 Die Kießling-Affäre: General Günther Kießling wird wegen seiner angeblichen Homosexualität unehrenhaft entlassen. Der MAD (Militärische Abschirmdienst) glaubte ein Sicherheitsrisiko zu erkennen, da Hr. Kießling erpreßbar wäre.
Kießling bestreitet dies in einem Interview am 12.1.1984. Alexander Ziegler behauptet am 20.1.1984, Beweise für Kießlings Homosexualitä zu besitzent.

Verteidigungsminister Wörner erklärt bei einem anschließenden Gespräch: "Ich habe nicht das geringste gegen Homosexuelle, im Gegenteil, in meinem Haus verkehren Homosexuelle, Bekannte meiner Frau. [...] Wenn Kießling seine homosexuellen Neigungen zugegeben hätte, wäre überhaupt nichts passiert."

Kießling wird schließlich rehabilitiert und am 26.3.1984 mit Großem Zapfenstreich verabschiedet.
12.3.1984 München: Herbert Rusche (Grüne) wird nach einer Wahlveranstaltung, bei der er für die Abschaffung des §175 plädiert, leicht verletzt. Rusche war der erste offen schwule Abgeordnete. Die Täter stammten aus den Reihen des Neonazis Michael Kühnen.
20.7.1984 DDR: In einer Mitteilung des Ministeriums für Staatssicherheit wird mitgeteilt, dass "in den letzten 14 Tagen eine Aufstellung aller bekanntne Homosexuellen durch die Zentralstelle für Geschlechtskrankheiten erarbeitet und dem Institut für Blutspende [...] übergeben" wurde.
8.5.1985 Bundespräsident Richard von Weizsäcker erinnert anlässlich des Gedenktages an die Opfer des dritten Reichs auch an die Homosexuellen. Dies ist die erste Erwähnung durch den höchsten Repräsentanten der BRD.
12.8.1985 Mit Eldoradio geht in Berlin das erste schwule Radioprogramm Deutschlands auf Sendung.
11.8.1987 DDR: Das oberste Gericht begründet erstmals in einer Verhandlung um den §151 StGB einen Freispruch mit folgenden Argumenten: "Homosexualität ist ebenso wie die Heterosexualität eine Variante des Sexualverhaltens [...]. Homosexuelle Menschen stheen somit nicht außerhalb der Gesellschaft, und die Bürgerrechte sind ihnen wie allen anderen Bürgern gewährleistet. [...]"
24.11.1988 BRD: Die Forderung der Grünen nach einem Schwulen- und Lesbenreferat im Familienministerium wird nicht zur Beratung zugelassen, da die Begriffe schwul und lesbisch "von der überwiegenden Mehrheit" der Abgeordneten nicht akzeptiert werden könnten.
14.12.1988 DDR: Der §151 StGB wird komplett gestrichen. Homosexualität ist in der DDR nicht mehr strafbar.








Die Zeit von 1990 bis 1999

Das letzte Jahrzehnt bringt einige wichtige und elementare Änderungen. Der Paragraph 175, über hundert Jahre das staatliche Instrument gegen Schwule, wird aufgehoben. Homosexualität ist genauso frei wie Heterosexualität.

Erstmals in der Geschichte Deutschlands gibt es mit der eingetragenen Partnerschaft eine offizielle Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen.

Trotz aller Fortschritte in Deutschland darf man aber auch nicht übersehen, dass Deutschland in seiner Gesetzgebung immer noch weit zurück liegt hinter Ländern wie den Niederlanden, Dänemark und Frankreich. Noch immer gibt es Institutionen wie die Kirche und die Bundeswehr, die mit veralteten Meinungen ihre Vorurteile untermauern und so Homosexuelle diskriminieren.

GayHistory bis ans Milennium
Datum Ereignis
18.2.1990 DDR: In Leipzig wird der SVD ("Schwulenverband in der DDR") gegründet
25.3.1990 In der Fernsehserie "Lindenstraße" wird ein Kuss zwischen Carsten Flöter und Robert Engel gezeigt. Nach der Sendung laufen zahlreiche, z.T. heftigste Proteste beim WDR ein.
20.4.1990 Bei einem Angriff von ca. 300 Rechtsradikalen auf das Schwulenlokal Mocca Bar in Berlin werden etwa 50 Menschen verletzt.
27.10.1990 Die Wiedervereinigung der BRD und der DDR führt zu einem Rechtsungleichgewicht: Im Westteil gilt noch der §175, in der DDR nicht mehr. Verfahren werden nach dem "Tatortprinzip" abgeurteilt. Schwule und Lesben fordern daher bei einer Demo in Berlin die Abschaffung des §175.
30.7.1991 Ein Hauptfeldwebel wird wegen Sex mit einem Untergebenen degradiert. Die Richter begründen diese Entscheidung wie folgt: "Die homosexuelle Betätigung mit Untergebenen sei schlechthin unerträglich, weil sie nicht nur die Autorität des Vrogesetzten, sondern auch die Gehorsamkeitsbereitschaft des Untergebenen mindert..."
26.9.1991 Der Fuldaer Erzbischof Dyba bezeichnet Mitglieder der Frankfurter AIDS-Hilfe, die während einer Messe den Dom stürmen, als "Chaoten", "randalierende AIDS-Positive" und "hergelaufene Schwule". Weiterhin sagte Dyba: "Im Dritten Reich ist die SA auch schon auf dem Fuldaer Domplatz erschienen, um Gläubige einzuschüchtern. Aber noch nicht einmal im 3. Reich sind die Nazis in den Dom eingefallen.". Am 16. Oktober beginnt die Fuldaer Staatsanwaltschaft wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung gegen Dyba zu ermitteln. Erst, nachdem Dyba seine Äußerungen widerruft, wird des Verfahren gegen ihn eingestellt.
17.8.1991 Charlotte von Mahlsdorf wird das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.
10.12.1991 Rosa von Praunheim outet in der RTL-Sendung "Explosiv" den TV-Entertainer Hape Kerkeling und Moderator Alfred Biolek als Schwule. Die Aktion entwickelt sich zum Skandal, das für und Wider des Outings wird noch wochenlang in den Medien diskutiert.
1.1.1993 Die WHO (World Health Organisation) streicht die Homosexualität aus dem International Code of Deseases. Sie war dort seit der ersten Veröffentlichung 1948 unter der Nummer 302.0 als psychische Krankheit geführt worden.
13.10.1993 Das Bundesverfassungsgericht weist die Klage zweier Schwuler zurück, denen die Heirat am Nürnberger Standesamt verweigert wurde. Die Geschlechtsverschiedenheit, so die Richter, gehöre zu den prägenden Merkmalen einer Ehe. Allerdings sei zu klären, inwiefern die Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Paare in ihrer privaten Lebensgestaltung sowie im Vergleich mit Ehepaaren verfassungsgemäß sei.
10.3.1994 Der Bundestag beschließt mit großer Mehrheit die Streichung des §175 StGB. Der geänderte §182 (Verführung) schützt nun Jugendliche unter 16 Jahren unabhängig von ihrem Geschlecht vor sexuellem Missbrauch.
18.6.1994 Zum CSD 1994 in Berlin erscheint die taz als Homo-taz. Alle darin erschienenen Artikel sind ausschließlich von lesbischen und schwulen Autoren erstellt worden.
11.12.1994 Frankfurt: An der Kreuzung Schäfergasse/Alte Gasse wird ein Mahnmal für die im dritten Reich verfolgten und ermordeten Homosexuellen eingeweiht. Der Platz wurde von Rosemarie Trockel entworfen. Der Platz ist kreuzförmig aufgeteilt. In der Mitte steht ein Engel, dessen Kopf abgeschlagen und leicht verdreht wieder aufgesetzt wurde. Dieser soll die vielfätlige Gewalt, die Schwulen und Lesben im dritten Reich angetan wurde, symbolisieren.
29.4.1995 Am 50. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau wird mit einem Denkmal auch an die homosexuellen Opfer gedacht. Der dreieckige Stein in Rosa symbolisiert den rosa Winkel. Er trägt die Aufschrift "Totgeschlagen - totgeschwiegen".
7.6.1996 Am Tag vor der ersten CSD-Parade in Sachsen-Anhalt stürmen Polizisten das Schwulenlokal "Zoom" in Halle. Während der Razzia müssen sich die Gäste ausziehen und auf den Boden legen. Sie werden mit Plastikhandschellen gefesselt, sie werden mit einer Videokamera gefilmt und nach ihren Personalien befragt.
4.12.1996 Eduard Stapel erhält den Verdienstorden der Bundesrepublik für seinen Einsatz für die Rechte der Schwulen in der DDR. Stapel ist der Gründungsvater des SVD.
11.4.1998 USA: George Michael outet sich. Der Pop-Star war am 8.4.1998 wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet worden. Er hatte versucht, eine Zivilstreife zum Sex zu animieren. Der Skandal jedoch blieb aus. George Michael geht in die Offensive, spricht frei über seine Homosexualität. Seine Fans und die amerikanische Presse danken es ihm mit Anerkennung.
6.3.1999 Der SVD öffnet sich den Lesben, der Namen wird auf LSVD erweitert.
6.4.1999 Hamburg: Erstmals in der Deutschen Geschichte gibt es eine staatlich anerkannte Eintragung von homosexuellen Paaren: Die Hamburger Ehe. Allerdings ist diese Form der "Ehe" nur ein symbolischer Akt. Die Eintragung hat keinerlei rechtliche Folgen. Alle rechtlich relevanten Gesetze wie das Erb-, Steuer-, Adoptions- und Zeugnisverweigerungsrecht können nur durch die Änderung bundesdeutscher Gesetze erreicht werden.
23.8.1999 München: Zwei Freunde werden nach einem Besuch der Münchner Szene angegriffen, einer der beiden wird schwer verletzt. Die Täter können unerkannt entkommen.

Bald darauf werden weitere Überfälle bekannt, das US-Blatt "Advocate" rät von einem Besuch Münchens ab.
1.12.1999 Berlin: Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin (SPD) verspricht einen Gesetzesentwurf, der den Lesben und Schwulen den Weg in die gesetzlich anerkannte Partnerschaft ebnen soll. Der Entwurf enthält einen zweistufigen Plan, der in der ersten Stufe alle Rechte ändert, die nicht der Länderentscheidung bedürfen. Bis zum Ende des Jahres wird das Gesetz jedoch nicht eingebracht.

Der LSVD und andere Organisationen protestieren gegen diesen Entwurf, da er in der erstne Stufe fast nur Pflichten, aber kaum Rechte vorsieht.